Er erklärte
Der Verteidiger beantragt, daß die Kammer zunächst sich damit befasse, ob der Betroffene überhaupt unter das Gesetz falle, da er weder 1933 noch 1944 einen bestätigten hauptamtlichen Rang innehatte. Nach Teil A des Anhangs zum Gesetz, Abt. E II,4 ist dies zu verneinen. Zum zweiten Absatz dürften es sich nur um solche Führer handeln, die im "Amt für Erziehung" also dieser Organisation als Hauptberufung unterstellt waren.
Die Kammer war sich nach kurzer Beratung schlüssig geworden, daß der Betroffene immerhin in einer Stellung als Jugenderzieher HJ-Führer tätig gewesen sei und muß ihm aufgeben, diese formelle Belastung zu wiederlegen.
Der Betroffene führt hierzu aus:
Formell war ich wohl der HJ-Jugenderzieher praktisch wurde dieses Amt jedoch von Studienrat Weimer ausgeübt, er war der eigentliche HJ-Führer und Mitglied meines Lehrkörpers Durch gemeinsame Absprache war es mir möglich geworden, den Ursprünglichen HJ-Dienst auf den 1/3 herabzudrücken.
Der Sachverständige Stadtrat a.D. Keller führt hierzu aus:
Nach meinem Wissen ist die Sache damals so gewesen, dass das Mus. Gymnasium verpflichtet war dem Schülerbetrieb, gleich den anderen Schulbetrieben eine gewisse HJ-Erziehung angedeihen zu lassen. Jedoch war bekannt, dass es dem Btr. gerade durch seine Haltung gelungen war, den wahren NS-Geist und Einfluss vom Schuldienst fern zu halten. herr Studienrat Weimar war der eigentliche HJ-Führer während Studienrat Prof. Dr. Heil der offizielle Beauftragte war.
Der Betr. galt als der Leiter des Gymnasiums auch als der HJ-Führer jedoch ohne Amt und hauptamtliche Bestätigung.
Der Betroffene führt weiter aus:
Das Musische Gymnasium wurde 1939 gegründet. Von 1939 – 1944 gehörte ich nicht der HJ an. Erst als wir 1945 nach Württemberg mit unserer Jungschaar kamen sagte einer der alten Herren zu mir, es ist doch kein Zustand, dass Sie dirigieren und nicht der HJ angehören. Prof. Dr. Keil ist wohl mit der HJ-Führung beauftragt gewesen. Ich hätte ein solches Amt auch praktisch niemals ausführen können, da ich militärisch völlig unwissend und uninteressiert bin, ich weiß nicht einmal wann uns wie man „rechts – und linksrum“ sagt.
Nationalpolitik wurde keine betrieben, auch keine Unterrichtsstunde in diesem Sinne abgehalten. Studienrat Weimer redete sich immer heraus und sagte, das mache er in anderen Unterrichtsstunden, wie Biologie gleich mit.
1933 war die Jugend an mich herangetreten mit den Worten „Hilf uns“. Ich habe mit der Jugend das alte Deutsche Lied gesungen und gepflegt, bald merkte ich aber wo der Geist der Jugend hintrieb und zog ich mich wieder zurück, weil ich die Sinnlosigkeit dieser Art der Betätigung erkannte. Auch später am Musischen Gymnasium wurde es so gehalten, dass wir das alte Deutsche Volkslied mit den Jungens sangen. Lieder der NS-Partei, wie Juden heulen, wurden nicht geübt.
Der Gauleiter kam wohl ab und zu mit seinem Stab, dann mussten die Jungens antreten, bildeten eine Fassade, der Gauleiter nahm den sogenannten Vorbeimarsch ab, es wurden einige Lieder gespielt und gesungen, damit war das ganze Theater zu Ende.
Bereits 1928 hatte ich eine Berufung nach Berlin erhalten, die ich aber ausschlug, weil ich in Leipzig den Ruf durch Prof. Karl Staraube an das Kirchenmusikalische Institut in Leipzig folgte.
1933 erlebte ich Anfeindungen weil ich große Beziehungen zur jüdischen Gesellschaft hatte und diesen Verkehr nicht einstellte bis diese Familien ausgewandert waren. So folgte ich 1934 besonders gerne dem Ruf als Professor für Komposition und Chordirigenten an die Staatliche Hochschule für Musik in Berlin. Meine Ernennung zum Professor erfolgte in Jahre 1934 durch das Kultusministerium, also zu einer Zeit, daich noch kein Pg war.
Zu meiner Berufung nach Frankfurt/Main habe ich zu sagen, dass ich mich dagagen aufgelehnt hatte und diesen Ruf abgelehnt hatte.
Ich befand mich mit meiner Familie in Bad Homburg auf einer Erholungsreise als mir durch das Radio bekannt wurde, dass man mich nach Ffm. An das Musische Gymnasium berufen habe. Ich ging sofort an das Telefon, setzte mich mit Oberbürgermeister Dr. Krebs in Verbindung und gab meiner Wut Ausdruck, dass man mich ohne mein Wissen ernannt hatte. Herr Dr. Krebs sagte mir, nun verleben Sie erst einmal Ihren Urlaub über das Weitere sprechen wir dann. Daß ich mich zunächst Widersetzt hatte ergibt sich aus einer Unterhaltung zwischen Stadtrat Miersch und Herrn Dr. Miederer.
Als ich nach Berlin zurückkam stellte ich sofort den Antrag auf völlige Freiheit bei der Ausbildung und Entfaltung der Kunst, sowohl der Wahl des Lehrkörpers, beim Reichsministerium. Ich erhielt dann einen Anruf von Dr. Stein der mir mitteilte, dass allen meinen Wünschen entsprochen werde.
Das Musische Gymnasium war nicht staatlich, sondern städtisch, wohl aber dem Kultusministerium unterstellt. Ich erkannte nun meine Entfaltungsmöglichkeiten und folgte dann gerne dem Ruf nach Frankfurt.
Bei der Auswahl der Lehrerschaft, ebenso der Wahl der Schüler war für mich nur ausschlaggebend fachliches Können und die Gewähr der Entfaltung des Künstlerischen und Schöpferischen. So war der größte Teil der Lehrerschaft aus Nicht-Pgs zusammengesetzt. Ebenso befanden sich unter den Schülern jüdische Mischlinge.
Selbst die vom Nazismus verbotene Musik von Tschaikoski, Mendelssohn, Schönberg, Kaminski, Raphael und Hindemith wurde der Jugend vorgeführt.
Auch wurde der Religionsunterricht beider Konfessionen trotz aller gegenseitigen Befehle ununterbrochen durchgeführt, sowie Konfirmationsfeiern in den Räumen der Schule abgehalten.
Ich hatte keine Uniform der Partei wohl aber eine Beamtenuniform die ich bei öffentlichen Anlässen tragen mußte.
Der Gruß "Heil Hitler" wurde morgens.einmal bei Schulbeginn angewandt und zum'Schulschluß, also 2 mal täglich. Wohl habe ich den Jungens geraten auch ein paar Nazi-Lieder zu lernen, denn es wäre gefährlich gewesen, wenn sie mit anderen Jungens zusammen kamen und sie überhaupt kein einziges Parteilied gekannt hätten.
Der Sachverständiger wirft hier ein, daß es Vorschrift gewesen sei, bei allen Schulen den Hitlergruß anzuwenden, ebenso bestimmte Parteilieder mit der Jugend zu singen.
Vorsitzender verliest aus dem Merkblatt für das Musische Gymnasium des Reichsministers fUr Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 27.3.1939 (Anl. 14 d. A.)
Bei der Wahl meiner Lehrer waren drei Dinge für mich ausschlaggebend, sie mußten Künstler, Musiker- und reine Wissenschaftler sein, zu mindesten aber die Musik lieben. Ich schlug die Lerer vor, die Stadt berief sie und das Ministerium bestätigte.
Sachverständiger bestätigt diese Äußerungen des Betroffenen und führt ergänzend weiter aus: Miederer war ein merkwürdiger Mensch, auf der einen Seite ein fanatischer Nationalsozialist, wenn es sich aber um das Künstlerische handelte, so konnte sogar ein Mischlschling oder anders gesonnener seine Zusage erhalten. Er war es auch Dr. Krebs für die Berufung des
Betr. nach Ffm. begeisterte. Wenn Dr. Krebs etwas für Frankfurt tuen konnte, so war er gleich in Bereitschaft. Er sagte damals, ja, wenn wir Thomas, so einen Mann, mit solch einer künstlerischen Begambung bekommen können
dann liegen Leitung und Ruf des Musischen Gymnasiuns in guten Händen. Miederer, der in solchen Situationen sehr aggregiv werden konnte, sagte wir werden ihn einfach ernennen.
Der Betr. führt weiter aus:
Außer meiner Berufung zum Musischen Gymnasium im Jahre 1939 Wurde ich im gleichen Jahre zum Leiter des Cäcilienvereins sowie Chordirigentenklasse an der dortigen Hochschule bestimmt.
Ein Werksverzeichnis meiner sämtlichen Kompositionen befindet sich bei den Akten, sowie ein Verzeichnis sämtlicher Aufsätze, und reden (Sh. Anl. 1 u. 2 d.A.).