AN Nr. 14: Die Kantate zur Olympiade 1936

Vorwurf:

Dr. Stoodt:........."Wurde er etwa gezwungen, zur Olympiade 1936 eine "Olympia-Kantate" zu komponieren, die unter Teilnahme unter anderem des Chores der NS-Frauenschaft uraugeführt und in einem offiziellen Wettbewerb, Teil des kulturellen Rahmenprogramms der Spiele von Berlin mit einer Silbermedaille preigekrönt wurde (zeitgleich wurde von den dies so wohlgefällig betrachtenden faschistischen Machthabern seit 3 Jahren in Dachau, Oranienburg usw. gefoltert und gemordet wer auch immer aus rassistischen oder politischen Gründen verdächtig war)?

Entgegnung:

aus Bethge, Seite 53

Zur im Sommer 1936 in Berlin stattfindenden Olympiade bot sich für Kurt Thomas nun eine ganz besondere Gelegenheit (14): Es wurde ein Musikweitbewerb ausgeschrieben, an dem sich alle Nationen beteiligen konnten, die auch bei den sportlichen Wettkämpfen beteiligt waren. Bei den zunächst in den verschiedenen Nationen ausgetragenen Wettbewerben wurde jeweils ein Sieger festgestellt. Der Musikwettbewerb hatte auch in Deutschland ein außerordentlich starkes Echo gefunden, denn weit über hundert Werke waren dem deutschen Preisrichterkollegium zur vorläufigen Prüfung und Zulassung eingereicht worden. Entsprechend der Sportsiegerehrung wurde eine goldene, silberne und bronzene Medaille verliehen, und in einem "Olympischen Konzert" am 15. August 1936 wurden die prämierten Werke auf der Dietrich Eckart-Freilichtbühne uraufgeführt. In der Gruppe „Kompositionen für Solo- oder Chorgesang mit oder ohne Klavier- oder Instrumentalbegleitung“ errang Thomas mit der „KANTATE ZUR OLYMPIADE 1936“ OPUS 28, die silberne Medaille. Den Text zu der Kantate hatte ihm der Nürnberger Karl Bröger geliefert, mit dem Thomas seit längerem in Verbindung stand. Bei der von ihm selbst geleiteten Aufführung hatte das Philharmonische Orchester Berlin den orchestralen Part übernommen, und acht gemischte Chöre, mit denen Ferdinand Leitner intensiv geprobt hatte, waren zu einem großen symphonischen Chor vereinigt worden. Daraus ergab sich für Thomas die Möglichkeit, die Besonderheiten der acht Chöre kennenzulernen und sie trotz ihrer Verschiedenartigkeit zu einem geschlossenen Ganzen zu verschmelzen (15). Es wäre allerdings zu einfach, allein aus der Masse von acht Chören eine kulturelle Massenveranstaltung im Sinne von „Nazikunst“ zwangsläufig abzuleiten. Die Musikgeschichte überliefert a priori genügend Beispiele, die eine andere Einstellung legitimieren, und man braucht nicht nur an die riesigen Massenchöre bei den Aufführungen Händelscher Oratorien in England zu denken.

(14) Vgl. zur Genisis des Werkes: Stege, Fritz: „Musik zur Olympiade“, Artikel in: „Zeitschrift für Musik“, Nr. 9, Regensburg 1936: „Der Begründer der Olympischen Spiele, Baron Pierre de Coubertin, hat von jeher den Wunsch geäußert, den sportlichen Wettkampf mit einer Olympiade der Künste zu verbinden (...) Zum ersten Male wurden seine Anregungen im deutschen Olympia-Jahr 1936 befolgt. In mehreren Festveranstaltungen wurde ein Füllhorn erlesenster musikalischer Genüsse Hunderttausenden von Hörern dargeboten“.

(15) Eine Fülle hier nicht zitierter Kritiken belegen dieses Phänomen. Vgl. für den Gesamtzusammenhang: Stege, Fritz: „Musik zur Olympiade“, a.a.O.

Dazu:

Die Eröffnungsmusik zu dieser Olympiade, an der die ganze Welt teilnahm, schrieb und dirigierte Richard Strauß.