Zur Begründung seiner Kampagne gegen Prof. Kurt Thomas hat Herr Pfarrer Dr. Stoodt eine Aufstellung verfaßt mit dem Titel:
Fakten zur Verwicklung von Kurt Thomas (1904-73) in die NS-Kulturpolitik
Diese von Pfarrer Dr. Stoodt aufgeführten "Fakten" sind in überwiegender Zahl unrichtig, weil sinnentstellt, selektiv manipuliert und in mehreren Punkten regelrecht falsch.
Über die handfesten Falschaussagen hinaus arbeitet Herr Dr. Stoodt aber auch mit Andeutungen, die - ohne direkt zu lügen - dem Leser Böses suggerieren und gegen Thomas Stimmung machen sollen.
Zum Beispiel: (Auszug aus Dr. Stoodts "Fakten")
SS-Sturmbandführer und Oberregierungsrat Dr. Martin Miederer, Abteilung Musik im Reichserziehungsministerium, fordert in einem Schreiben an OB Krebs den Bau eines Schwimmbades für das Musische Gymnasium. "Die Beschaffung der Rohstoffe dürfte insofern keine Schwierigkeiten bereiten, als letzten Endes der Führer und Reichskanzler, der an dem Entstehen der Anstalt regstes Interesse zeigt, sich einschalten wird. Wie mir der Minister .... mitteilte, will er nach Erhalt des Gutachtens durch die Leiter der nationalpolitischen Erziehungsanstalten sich sofort zum Führer begeben, um die Durchführung des Projekts und den Beginn der Bauarbeiten möglcht zügig zu beschläunigen" (Stadtarchiv).
Kurt Thomas wird zum Leiter des Musischen Gymnasiums berufen, ab 15. Mai 1943 in der Besoldungsstufe eines Oberstudiendirektors. Es gibt detaillierte Schilderungen der Ausstattung seines Büros in Haus Buchenrode.
Ich kenne Prof. Thomas´ Büro aus eigener Anschauung:
Cembalo und Flügel. Schreibtisch, Bücherregal und Sitzgruppe in schlichter, moderner Ausführung, (heute würde man sagen "Ikea" oder "skandinavisch"), grobe Leinenpolster, naturfarbener Teppich in Schafswolle, Bilder mit Drucken von van Gogh und August Macke.
Natürlich zielt Herr Dr. Stoodt auf etwas anderes:
Aus den Unterlagen des Stadtarchivs geht hervor, daß der für die Schule zuständige Mann aus dem Erziehungsministerium, Dr. Miederer, mit Nachdruck die Einrichtung von zwei Zimmern im Musischen Gymnasium forderte; und zwar mit echten Stilmöbeln! Da es diese offensichtlich nicht mehr zu kaufen gab, versuchten die städtischen Dienststellen, die Einrichtung aus dem Nachlaß von vertriebenen Juden zu erlangen. Herr Dr. Stoodt bemüht sich immer wieder, die obskuren Handlungen von Dr. Miederer Herrn Prof. Thomas unterzuschieben.
Die Zimmereinrichtung von Prof. Thomas unter die Überschrift "Fakten zur Verwicklung von Thomas in die NS- Kulturpolitik" zu stellen, ist böswillig und ohne Sinn. Ich kann es nicht beweisen, bin aber sicher, daß es dem Geschick von Prof. Thomas zu verdanken war, wenn Herr Dr. Miederer zu keinem Zeitpunkt im Musischen Gymnasium ein Büro besessen hat.
Ein anderes Beispiel aus Dr. Stoodts "Fakten":
Unterrichtsbeginn ist der 1.9.1939. Ort der Schule ist eine Liegenschaft (Haus Buchenrode, Niederrad), die dem Frankfurter Industriellen Arthur von Weinberg, Gründer der Casella Fechenheim, abgekauft wurde - im Dezember 1938 (Heldmann,S. 136- 140). Hierzu der Frankfurter NS_Oberbürgermeister Krebs am 12. Dezember 1938: "Es ist uns gelungen, die überhöhten Forderungen der Grundstückseigentümer erhablich herabzustufen."
(Heldmann S. 137)
Arthur von Weinberg stirbt am 20.3. 1943 im KZ Theresienstadt
(Heldmann, S. 139)
Bei Heldmann auf Seite 139 steht sinngemäß:
Arthur von Weinberg starb im März 1943 im KZ Theresienstadt nach einer Gallenoperation im Alter von 82 Jahren, noch bevor er - die Zustimmung lag vor - das KZ hätte wieder verlassen können.
Diese Tatsache macht zwar das Verbrechen an Arthur von Weinberg nicht kleiner, aber die vollständige Erwähnung dieser Umstände hätte gezeigt, daß es Herrn Dr. Stoodt im Falle Thomas um ehrliche Aufarbeitung und nicht um Agitation geht.
Übrigens:
Ein Schwimmbad hat es an unserer Schule (leider) nie gegeben. Wir haben in Metallbetten geschlafen, mit eingelegten Holzbrettern auf Strohsäcken. Die Betten waren je nach Platz zu zweit oder zu dritt übereinander gestapelt; jeder hatte einen Spind von 55 cm Breite, einen Hocker mit Stahlfüßen und je Zimmer gab es einen robusten Tisch. Unser Speisesaal war mit den gleichen Hockern und Tischen eingerichtet, so, daß die Tische zusammengestellt als Bühne für die Hauskonzerte dienten.
Der Klassenunterricht wurde vorwiegend in Holzbaracken abgehalten, die im Garten standen und im Winter mit Kanonenöfen (nichts Militärisches!) beheizt wurden.
Im ehemaligen Stallgebäude des Hauses waren die Übungsräume untergebracht: ca. 5-6 qm große Kammern mit Klavier und Notenständer, sehr notdürftig schallisoliert, so, daß man beim Üben noch die nebenan erzeugten Bratschen- oder Klarinettentöne deutlich hören konnte. An jeder Tür hing außen ein Stundenplan mit dem Namen des jeweiligen Schülers, der das Recht und die Pflicht hatte, dort zur bestimmten Zeit täglich seine zwei Stunden zu üben.
Das waren die äußeren Bedingungen unserer "Eliteschule",
- in der jeder täglich neben 5 Stunden wissenschaftlichem Unterricht zusätzlich weitere 5 Stunden intensiv Musik machte,
- in der wegen mangelhafter Ernährung bei jedem Chorkonzert üblicherweise 2 - 3 Jungen auf der Bühne aus Erschöpfung ohnmächtig zusammenbrachen,
und in der dank unserer Lehrer - allen voran Prof. Thomas - eine Begeisterung über das musische Leben in unsere Schule herrschte, die wir ehemaligen Schüler - auch noch mit 60 Jahren Abstand - als absolut einmalig empfinden.