AN Nr. 20: Antisemitische Untertöne

Pfarrer Dr. Hans Christoph Stoodt, Frankfurt

Anti-Nazi-Koordination:

Antisemitische Untertöne in privaten(!) Äußerungen:

"Hier ist alles sehr putzig. Der Boykettfeldzug gegen die jüdischen Geschäfte scheint mit großer Schärfe durchgeführt zu werden. ....Herr Hirsch, den ich anrief, meint, es würde keine Schwierigkeiten machen, die Möbel zu liefern, da sie ja längst gekauft seien. In Übrigen habe er von seinem Lieferwagen das Firmenschild abmachen lassen, um seinen Kunden Unannehmlichkeiten zu ersparen. Schlau sind diese Leute."

(Kommentar Kurt Thomas zum Boykott jüdischer Geschäfte 1933, Heldmann, S. 383)

Dazu:

Auch mich hat dieses Zitat im ersten Augenblick irritiert. Mit heutigem Wissen hätte Thomas eine solche Formulierung damals (in den ersten Tagen des "Hitler-Reiches"!) selbst im privaten Bereich bestimmt nicht gewählt.

In den fünfziger Jahren bekam ich den Auftrag, in einer vorwiegend evangelischen Gemeinde einen ev. Kindergarten zu bauen. Ich hatte für die Spengler-Arbeiten auch ein Angebot einer katholischen Firma. Ausgerechnet diese Firma war mit ca. 800 DM Differenz die Preisgünstigste. Dies ergab im Kirchenvorstand eine abenteuerliche Diskussion, bis endlich der Hinweis auf den evangelischen Schwiegersohn zur Beauftragung des katholischen Spenglermeisters führte. Es wäre durchaus möglich gewesen, daß ich bei Schilderung dieser Begebenheit die Worte "schlau sind diese Leute" verwendet hätte. Niemand käme heute auf den Gedanken, mich deswegen zum "Anti-Protestanten" abzustempeln.

Wenn Herr Dr. Stoodt aus dem sehr persönlichen Brief des 29-jährigen an seine Braut zitiert, kann ich mich erst einmal eines unappetitlichen Gefühls nicht erwehren. Wenn er aber unterschlägt, daß Heldmann in seinem Buch dieses Zitat benutzt, um anschließend seitenlang Thomas´ positive Haltung zum Judentum nachzuweisen, dann ist das in höchstem Grade empörend.

Aus einem geschriebenen Halbsatz werden bei Dr. Stoodt gleich "antisemitische Untertöne in privaten (!) Äußerungen" (Plural!). Ohne Hemmungen fängt er mit dieser griffigen Formel Mitstreiter für seine Kampagne und nutzt sie sogar zur eigenen Rückendeckung gegenüber seiner vorgesetzten Dienststelle. Mir fehlen die Worte!

Ich kenne nicht eine einzige antisemitische Äußerung von Prof. Thomas, dagegen aber unzählige Beweise seines judenfreundlichen Verhaltens während der gesamten Nazi-Zeit.