Auszug aus dem von Herrn Dr. Stoodt verfaßten
"Aufruf an die Verantwortlichen der Stadt" gegen die Ehrung von Kurt Thomas:
Kurt Thomas hat sich über den Nationalsozialismus in unterschiedlicher Weise geäußert. Alle greifbaren überlieferten öffentlichen Aussagen stützen das NS-Regime, alle differenzierenden oder kritischen Aussagen sind privater Natur.
Hier einige "greifbare überlieferte öffentliche Aussagen" von Thomas, die das Gegenteil beweisen und die Herr Dr. Stoodt bei seinen Recherchen geflissentlich übersieht:
(Alles bei Heldmann nachzulesen!)
Heldmann, Seite 369:
Die kirchliche Gebundenheit hinterläßt auch in seiner Tätigkeit als Leiter des Musischen Gymnasiums deutliche Spuren. Im Alltag der Schule zeigen sich in vielfältiger Weise religiöse Bezüge. Hier ist auf die Lieder mit geistlichen Inhalten zu den Mahlzeiten am Sonntag zu verweisen. Auch gegenüber der Öffentlichkeit wird dies deutlich. Beim ersten öffentlichen Auftreten im Weihnachtskonzert am 14.12.1939 befindet sich an der Stirnseite des Eßsaales ein großes Scherenschnittbild mit der Geburtsszene Christi.(D 94.4) Des weiteren ist ihm die Erteilung des Religionsunterrichts ein besonderes Anliegen (s.S.241-244). Gleiches gilt für den Konfirmandenunterricht. Hier sei der Bericht eines Schülervaters über die Konfirmation seines Sohnes erwähnt, der die persönliche Anteilnahme von Thomas an der Konfirmation seiner Schüler hevorhebt: "Mir bleibt die Konfirmation des Jungen unvergeßlich. Es sind nur so kleine Züge. Aber daß Sie mit in der Kirche waren, daß Sie den Jungen als Erster nach der Konfirmation die Hand reichten, das war bei Ihrer Stellung mehr als riskant, und ich habe es Ihnen hoch angerechnet. Dann sprach ich in der Sakristei mit dem Geistlichen in der Annahme, daß er zu der Nachfeier in der Schule kaum zugelassen würde. Auch da erlebte ich die große Freude, daß Sie wider die damalige Auffassung den Geistlichen der Schule eingeladen hatten.
Heldmann, Seite 373:
Bericht eines ehemaligen Schülers: "Ich kann aus eigener Anschauung hinzufügen, dass Professor Thomas mit dem Musischen Gymnasium niemals eine der vorgeschriebenen Partei- und HJ-Kantaten aufgeführt hat, dagegen aber die kirchenmusikalischen Werke von Joh.Seb. Bach u.a. Kirchenmusikern ständig gepflegt und aufgeführt hat, dass er in öffentlichen Konzerten christliche Weihnachtslieder hat singen lassen und ich erinnere mich lebhaft eines Konzertes im Saalbau zu Frankfurt/M., bei dem das Publikum stürmisch immer wieder Wiederholungen dieser Weihnachtslieder erzwang, während die anwesenden Uniformierten unter Protest den Saal verliessen."
Heldmann, Seite 391:
Die bereits erwähnten Schanzarbeiten der Schüler und Lehrer an der Westfront in Plittersdorf/Baden fallen in die Zeit vom 23.9. bis 24.10.1944. Zu diesem Einsatz sind alle HJ-Einheiten aus dem Großraum Ulm verpflichtet worden. Am 24.10.1944 versammeln sich alle Teilnehmer an diesem Einsatz zum Schlußappell im Ulmer Saalbau, in dem auf einem kleinen Podium die HJ-Führung des Bannes Ulm Platz genommen hat, während die einzelnen HJ-Einheiten rechts und links des Mittelganges in Reih und Glied stehen. (127). Die HJ-Einheit des Musischen Gymnasiums hat in der Mitte des Saales auf der rechten Seite in unmittelbarer Nähe des Mittelganges Aufstellung genommen. Im Rahmen dieses Appells wird ein Jugendlicher auf das Podium beordert. Man wirft ihm vor, in Briefen nach Hause defätistische Bemerkungen über den Einsatz gemacht zu haben. Aus diesem Grunde wird er aus der Hitlerjugend ausgeschlossen. Man reißt ihm Uniformembleme herunter und schert ihm dann den Kopf. Anschließend wird er durch den Mittelgang herausgeführt. Vorweg wird jedoch den untenstehenden HJ-Einheiten befohlen, dem Jugendlichen eine Abfuhr zu erteilen. Das ist Spießrutenlaufen, was dann auch geschieht. Aus den Reihen rechts und links des Mittelgangs treten Hitlerjungen hervor, beschimpfen und bespucken ihn und schlagen ihn mit Stöcken und Uniformkoppeln. Als der Jugendliche die Reihe erreicht, in der die HJ-Einheit des Musischen Gymnasiums stegt, weist Thomas seine Schüler an: "Keiner rührt sich!" und keiner ist vorgetreten. Dieser von mehreren ehemaligen Schülern berichtete Vorgang ist ein Beispiel dafür, wie der Leiter einer "reinen nationalsozialistischen Kultureinrichtung" den Befehl der HJ-Führung ignoriert, sich von der Bestrafungsaktion der Hitlerjugend distanziert und wie ihm seine Schüler dabei voller Vertrauen folgen.(128)
Frankfurter Allgemeine 17. Mai 2004
Damals sehr gefährlich
Zu. "Streit um Gedenken an Kantor Thomas" (F.A.Z. vom 13. Mai): 1939 habe ich in Hamburg die Aufnahmeprüfung für das Musische Gymnasium in Frankfurt bestanden. Vor den Eltern der ausgewählten Schüler stand damals Kurt Thomas Rede und Antwort und erklärte diesen, wie er sich die Ausbildung ihrer Kinder vorstellt. Dieser "Elternabend" fand in meiner Schule statt, dem hochangesehenen Johanneum, das in Kürze sein 475jähriges Bestehen feiert. Wenn Kurt Thomas ein überzeugter Nationalsozialist gewesen sein soll, hätte er das Johanneum gar nicht betreten dürfen, denn allgemein war bekannt, das dieses Gymnasium unter den Nationalsozialisten als reaktionäre Schule verschrieen war.
Auf die Gefahr angesprochen, daß man seine Kinder auf eine musische Napola schicken würde, erwiederte Kurt Thomas laut Aussagen meiner Mutter: "Verehrte Eltern, ich kann Sie beruhigen. Ihre Kinder werden keine Napola-Erziehung und vormilitärische Ausbildung wie etwa in Plön üblich, genießen, sondern die humanistische Bildung steht bei uns im Vordergrund, verbunden mit der musikalischen Ausbildung." Ein Ausspruch, der Thomas damals hätte sehr gefährlich werden können.
Dazu:
Während die Pfarrer sonntags von der Kanzel "in schöner Regelmäßigkeit" Adolf Hitler in ihr Gebet einschlossen, hat Prof. Thomas als Leiter des Musischen Gymnasiums mutig alles getan, um politische Beeinflussung von seinen Schutzbefohlenen fernzuhalten. Dies bestätigen ihm ohne Ausnahme nachdrücklich alle seine Schüler!