1. Die Rechtfertigung des Menschen vor Gott
Rechtfertigung des Menschen ist Gotteserfahrung und Ausrichtung auf seine eigentliche Bestimmung
Die Rechtfertigung des Menschen vor Gott lässt sich nicht begreifen vor dem Hintergrund der erfahrbaren Wirklichkeit des Menschen, sondern sie stellt den Einbruch der Wirklichkeit Gottes in das Leben des Menschen dar, und zwar schon jetzt und nicht erst an einem fernen Ende der Zeiten. Wo immer Menschen diese auf Vergebung basierende Versöhnung erfahren, übersteigt das ihre Lebenswirklichkeit. Vergebung ist eine Transzendenzerfahrung und eine Gotteserfahrung. Die Abstraktion von den Taten bedeutet, dass die Person im Rechtfertigungsgeschehen neu konstituiert wird. Diese Neukonstituierung legt den Menschen nicht auf das fest, was in seiner empirisch aufweisbaren Lebensgeschichte geschehen ist und geschieht, sondern sie richtet ihn aus auf seine eigentliche Bestimmung und flößt dem Menschen aller Schuldhaftigkeit zum Trotz Vertrauen ein. Darin besteht auch der gravierende Unterschied zu dem, was menschliches Urteilen ausmacht: Nach allen uns gegebenen Möglichkeiten ist es eben gerade nicht möglich, bei einer Person von ihrer Geschichte zu abstrahieren. Vergebung in diesem theologischen Sinne ist also eine besondere Form der Gotteserfahrung, in der Menschen sich unabhängig von ihren Taten und ihrer Lebensgeschichte von einem ihnen wohlwollend zukommenden Grund des Daseins getragen wissen.