4. Spruchkammerverfahren
Viertens: Kurt Thomas wurde 1947 im Spruchkammerverfahren der Entnazifizierungsprozesse in die vierte Kategorie der Mitläufer eingeteilt und zwar an der unteren Grenze zu der fünften Kategorie der Entlasteten. Man mag an den Spruchkammerverfahren im Allgemeinen Zweifel üben, doch sollte man dieses Urteil nicht ohne Prüfung des jeweiligen Falls. Es ist sicher nicht so, dass jedes Spruchkammerverfahren einem Persilschein gleich kommt, in dem ein Nazi den anderen weiß wäscht. Nach allem, was sich im Falle von Kurt Thomas historisch ermitteln lässt, scheint es sich hier um ein weises Urteil zu handeln. Weise, weil es mit dieser Einordnung die Ambivalenz von Kurt Thomas’ Stellung im Nationalsozialismus trefflich zum Ausdruck bringt. Man wird ihn sicher nicht einfach der Kategorie der Entlasteten zurechnen können. Er war – unter welchen Umständen es auch immer dazu kam – Mitglied der Partei, er versah – auch hier gilt: unter welchen Umständen es auch immer dazu kam – ein hohes und wichtiges Amt in der nationalsozialistischen Bildungspolitik. Er war also sicher kein aktiver Widerstandskämpfer. Nach Abwägung der Fakten gibt es gute Gründe, sich dem Urteil Heldmanns anzuschließen: Kurt Thomas war wahrscheinlich kein besonderer Günstling des Regimes, er war wohl auch kein Karrierist, aber er war bereit zu Kompromissen – zu Kompromissen, mit denen er sicher nicht nur das Wohl seiner eigenen Person sicherzustellen suchte, sondern mit denen er vor allem der Musik dienen wollte, der er sich ganz verschrieben hatte.