Nach Fertigstellung meiner 25 Aktennotizen zum "Fall Thomas" nehme ich zusammenfassend Stellung zum verhängnisvollen

"Öffentlichen Aufruf an die Verantwortlichen der Stadt"
der Herren Joachim Carlos Martini und Pfarrer Dr. Hans Christoph Stoodt v. 14.5.04

Bemerkung:
Die mit Klammern versehenen Zahlen sind Hinweise auf meine "25 Aktennotizen", in denen die angesprochenen Punkte jeweils einzeln ausführlich behandelt werden.

Kurt Thomas hat sich um die Leitung des Musischen Gymnasiums nicht beworben.
Er wurde als preußischer Beamter dahin beordert. (3)

Im November 1933 trat Thomas in die Hitler - Jugend ein, um dort Singarbeit zu betreiben. Bereits ein halbes Jahr später - im Mai 1934 - erklärte er seinen Austritt, weil es ihm aufgrund politischer Vorgaben nicht möglich erschien, in der HJ geistliche Chormusik durchzuführen.

Bei Übernahme der Schulleitung war Thomas kein Mitglied in der NSDAP ! Er hat sich um eine Partei-Mitgliedschaft nicht beworben. Sein Mitgliedsausweis wurde ihm einige Zeit nach Übernahme der Schule ungebeten zugesandt. (3)

Das Musische Gymnasium wurde als Internatsschule für musikalisch Hochbegabte geführt. Daß es keine "nationalpolitische Eliteschule" war - wie vom NS-Staat geplant - ist dem Einsatz von Prof. Thomas zu danken!

Alle Schulen im 3. Reich unterstanden dem REM (Reichserziehungsministerium). Einzige Ausnahme waren die "Adolf-Hitler-Schulen", die der Partei unterstellt waren.

Für die Gymnasien (einschließlich des Musischen Gymnasiums) war im REM die Abtlg. E III zuständig, für die Napolas gab es die Abtlg. VII, eine spezielle Sonderbehörde im REM, die mit dem Titel: "Inspektion der Nationalpolitischen Erziehungsanstalten" bedacht war. Die immer wieder behauptete Gleichsetzung des Musischen Gymnasiums mit Napolas und Adolf-Hitler-Schulen entbehrt jeder Grundlage!

Der "ständige Kontakt mit NSDAP, SS, Reichsjugendführung und Wehrmacht" ist frei erfunden. Lediglich am Ende des Krieges nimmt Thomas wegen Freistellung seiner Schüler vom Kriegsdienst mit dem Reichsführer SS Himmler Verbindung auf, weil dieser als Oberbefehlshaber des Ersatzheeres, dafür die einzige zuständige Instanz war. (19)

Das Gebäude der Schule (Haus Buchenrode in Niederrad) war bereits im Besitz der Stadt, ehe Prof. Thomas in Frankfurt seinen Dienst antrat.

Die Erwähnung des Todes von Arthur von Weinberg an dieser Stelle ist infam! (23).

Prof. Thomas hat sich nicht nur privat, sondern oftmals "in greifbaren, überlieferten, öffentlichen Aussagen" kritisch über den Nationalsozialismus geäußert. (25)

"Antisemitische Untertöne" hat es bei Thomas zu keinem Zeitpunkt gegeben. Hingegen sind unzählige "judenfreundliche" Handlungen belegt. (20)

Uniform haben die Schüler des Musischen Gymnasiums nur bei öffentlichen Auftritten tragen müssen. Verschiedentliche Versuche durch Thomas, den Chor z.B. bei Kirchen-Konzerten in weißen Hemden singen zu lassen, waren vergeblich und wurden untersagt. Im Schulbetrieb und in der Freizeit trugen alle - auch die Lehrer - Zivilkleidung. (8)

Die angeführten Zitate aus Thomas-Reden waren notwendige Zugeständnisse an den politischen Zeitgeist. Sie spielten quantitativ wie qualitativ eine zu vernachlässigende Rolle gegenüber dem, was Thomas in diesen Reden vermittelte. Eine gerechte Beurteilung ist nur möglich, wenn die Reden ungekürzt gelesen werden. (5 u. 11)

Der "Dankes-Brief von Thomas an den Reichsführer SS Himmler" ist eine Erfindung des Herrn Dr. Stoodt. (19)

Thomas mahnende Worte zur Schulordnung mutieren bei Herrn Dr. Stoodt gleich zu einem politischen Durchhalte-Appell. Die Verknüpfung der Rede vom April 1945 mit Freiwilligmeldungen einiger Schüler zum Wehrwolf ist eine bösartige Unterstellung. (12)

Im Spruchkammer-Verfahren heißt es: "durch die mindeste gesetzlich zulässige Sühne von RM 50.- wird anerkannt, daß der Fall Thomas auf der Grenze zwischen der Gruppe der Mitläufer und der Entlasteten liegt". (2)

Thomas´ Karriere begann mit der Uraufführung seiner "Messe in a", im Jahre 1925. Er war mit 29 Jahren Deutschlands jüngster Professor und mit seiner Berliner Kurt-Thomas-Kantorei und seinen Auslandsreisen in jungen Jahren bereits weltberühmt. Diese Berühmtheit war es, welche die NS-Größen veranlaßte, Thomas trotz seiner Nähe zur Kirchen - Musik und seiner unpolitischen Lebenseinstellung zum Leiter des Musischen Gymnasiums zu berufen. Dies war für Thomas alles andere als ein Karriere-Sprung! Thomas reizte die musikalische Beschäftigung mit jungen begabten Menschen und die intensive Arbeit mit einem qualifizierten Knabenchor. Die Ergebnisse sind noch heute - nach mehr als 60 Jahren - überall spürbar.

Zu weiteren Erfolgen kam Thomas erst nach dem Kriege als Kantor der Frankfurter Dreikönigskirche (in Zusammenarbeit mit Helmut Walcha), und mit seinen spektakulären Europa-Reisen im Auftrag der Bundesregierung.. Auch der Welterfolg seines in allen bedeutenden Sprachen übersetzten Lehrbuchs der Chorleitung hatte mit den Nazis nicht das Geringste zu tun! Es ist absurd, ihn als Profiteur des NS-Regimes hinzustellen. (1)

Seine Berufung als Thomas-Kantor in Leipzig und sein Rücktritt von diesem "höchsten Amt eines Kantors" aus politischen Gründen, aber auch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch Bundespräsident Heinemann zeigen einen honorigen und integeren Mann.

Nicht eine einzige ernsthafte Anschuldigung gegen Herrn Prof. Kurt Thomas aus dem folgenreichen, demagogischen Aufruf der Herren Joachim Carlos Martini und Pfarrer Dr. Hans Christoph Stoodt läßt sich aufrechterhalten !

Thomas war ein gütiger, bescheidener und völlig unpolitischer Mensch, der seine Person stets hinter die Sache gestellt hat. Wer hierfür Gespür hat, kann dies unschwer aus seinen Kompositionen erkennen. Zugleich war er ein überragender Musiker und ein faszinierender Pädagoge, der sich größte Verdienste um Stadt und Land erworben hat. Ihm die öffentliche Ehrung, 30 Jahre nach seinem Tode, zu versagen, ist eine Schande für unsere Stadt.

Teuto Rocholl, Wanebachstraße 6, 60320 / Frankfurt am Main, am 1. September 2004